Vor
55 Jahren wurde das Flößberger KZ an der
Waldsiedlung geräumt
Flößberg/Eulatal. Vor 55 Jahren wurde das
Konzentrationslager im Fürstenholz bei Flößberg,
der heutigen Waldsiedlung benachbart, aufgelöst.
Am 13. April 1945 wurde das Lager "evakuiert", die
Gefangenen in Viehwaggons in unbekannte Richtung
abtransportiert. Ihr weiteres Schicksal ist
unbekannt; da nie einer von ihnen zurück kehrte,
geht Pfarrer i.R. Hans-Ulrich Dietze davon aus,
dass die Männer noch in den letzten Kriegstagen
umgebracht wurden. Das mehr als halbe Jahrhundert,
das seither ins Land ging, hat die Spuren des Lagers
im Fürstenholz überwuchert. Aber noch immer kann
man Hinweise finden, und noch immer gibt es
zahlreiche Menschen, die das Erinnern an dieses
Geschehen wach halten wollen und sich auf diese
Spurensuche begeben.
Dietze, der sich seit vielen Jahren intensiv
mit der Geschichte dieses KZ, einem Außenlager von
Buchenwald beschäftigt, führt immer wieder Gruppen
- Menschen allen Alters, aus vielen Orten der
Region und darüber hinaus -, gibt seine
Erkenntnisse weiter. "Ich gebe mir Mühe, nur das
zu bringen, was gesichert ist", sagt Dietze seinen
Zuhörern.
Die Stelle, wo die Querbahnlinie Borna -
Großbothen die Landstraße zwischen Flößberg und
Beucha kreuzte, ist auszumachen. Hier zweigte das
Anschlussgleis ins Lager ab. Auf dem Feld
unmittelbar an der Straße zog sich, zweifach
eingezäunt, das KZ bis zum Wald. Zehn
Häftlingsbaracken standen hier. Vom Wald verborgen
waren die Produktionsstätten. Hier mussten die
Gefangenen für die Leipziger HASAG Panzerfäuste
mit Sprengstoff befüllen, eine sehr gefährliche
Arbeit. Die von einem Erdwall eingefassten Gruben
sind - heute mit Wasser gefüllt - noch immer
auszumachen. Auch die Krater, die bei
Bombenangriffen auf das Lager, Flößberg und Beucha
am 5. März 1945 in den Boden gerissen wurden, sind
noch zu sehen. Das tiefste Erdloch entstand am 1.
Mai 1945, als die Zünderlagerstätte in die Luft
flog und in den umliegenden Orten die
Fensterscheiben eindrückte.
Das Lager bei Flößberg bestand von Anfang
Dezember 1944 bis zum 13. April 1945 für eine
Fabrik, die die HASAG im besetzten Polen aufgrund
der vorrückenden Front räumen musste. Insgesamt
waren 1.904 Häftlinge im Lager, vorwiegend junge
ungarische Juden. Im Februar 1945 wurden 461 nach
Buchenwald transportiert, weil sie nicht mehr
arbeitsfähig waren. 168 Häftlinge wurden im Lager
ermordet oder starben dort. Drei Häftlinge
entgingen, wie Zeitzeugen sich später erinnerten,
der Auflösung des Lagers, in dem sie sich mehrere
Tage bis zur Befreiung durch die US-Amerikaner
unter einer Barackendielung versteckt hielten.
Was bringt Hans-Ulrich Dietze dazu, sich mit
der Geschichte dieses Lagers zu befassen und sie
anderen Menschen nahe zu bringen? Er sieht nicht
nur die Betroffenheit, wenn ein still daliegendes
Areal zu reden beginnt, sobald er von den
Zeugenaussagen über die grausame Behandlung der
Häftlinge erzählt. "Geschichte ist ein Teil der
Gegenwart, und die jungen jüdischen Häftlinge von
damals würden unsere jungen Leute in der Gegenwart
fragen, in wie weit der Mensch das Recht hat, hohe
Ansprüche an das Leben wie selbstverständlich zu
stellen", meint Dietze.
Als Theologe weiß er, dass in jenem Gelände
mit Sicherheit viele Male das Schma Jisrael, das
tägliche und zugleich Sterbegebet der frommen
Juden, gesprochen wurde: "Höre Israel, der Herr,
euer Gott, ist der einzige Herr." Hitler, der die
Juden habe ausrotten wollen, habe durch Selbstmord
geendet; das Judentum existierte weiter. Deshalb,
so Dietze, sei das Flößberger KZ-Gelände für ihn
auch ein Grund, sich mit dem Judentum zu
beschäftigen.
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