"Geithain muss Gesicht zeigen an so einem Tag"
Tag und Nacht für Toleranz: Ausstellungseröffnung, Film und Workshop

Geithain. Vier Außenlager hatte das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald einst im Territorium des heutigen Landkreises Leipzig. Informationen und künstlerische Auseinandersetzung mit ihnen bietet die Ausstellung "Die Zukunft des Vergangenen", die noch bis einschließlich Mittwoch im Geithainer Kinder- und Jugendhaus zu sehen ist. Die Eröffnung erfolgte Dienstagabend im Rahmen der bundesweiten Aktion "Wir für Demokratie - Tag und Nacht für Toleranz". Ein Graffiti-Workshop und eine Filmvorführung umrahmten das.

Den Begriff Konzentrationslager hörte die Sechstklässlerin Samantha am Dienstag zum ersten Mal. Der 14-jährige Sascha dagegen kannte das Thema aus dem Geschichtsunterricht und wusste auch schon, dass es hier in der Region Außenlager gegeben hatte. "Wir wollen das weitertragen, damit die Information, die Berührung mit dem Thema da ist", erklärte Geithains Bürgermeisterin Romy Bauer (CDU) bei der Eröffnung der Ausstellung. Wichtig sei nicht nur das Wissen, was geschehen ist, sondern auch mit dafür zu sorgen, dass es nicht wieder passiert. Die Veranstaltung im Rahmen des bundesweiten Aktionstages solle ein Zeichen setzen für Toleranz und Demokratie, erklärte die Stadtchefin und hob die Partnerschaft zwischen der Kommune und dem Kinder- und Jugendhaus hervor.

"Geithain muss Gesicht zeigen an so einem Tag." Das hatte auch für Peter Frommelt, dem Leiter des Jugendhauses, festgestanden. "Ich hätte mich gefreut, wenn die Stadträte und Vertreter der Schulen die Einladung heute wahrgenommen hätten", erklärte er. Die mobile Ausstellung ist bis einschließlich Mittwoch im Kinder- und Jugendhaus im Rosental zu sehen, Besucher sind willkommen. Mandy Gehrt vom Verein Kulturbahnhof Markkleeberg, in dessen Regie das Projekt läuft, hofft, dass die Schau Besucher anregt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auch Melanie van Hoose, Projektmitarbeiterin vom Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) Wurzen, schaute sich um. "Ich finde das total wichtig, dass so 'namenlose' Orte benannt werden. Schön wäre es, wenn auch Klassen der Paul-Guenther-Schule sich das ansehen", erklärte sie.

Schon am Nachmittag hatte sie im Rahmen des Projektes "Jugend wird aktiv" mit jungen Leuten einen zweiten Workshop für Stencil (Graffiti mit Schablonen) im Jugendhaus durchgeführt. Sascha war auch schon beim ersten im März dabei gewesen. "Das ist schwierig, macht aber Spaß", erzählte der Bad Lausicker. Samantha probierte das vorgestern erstmals aus. "Das ist ganz okay, nicht so schwer", fand die Frankenhainerin. Der Jugendhaus-Chef will die "sehr lohnenswerte Kooperation" mit dem NDK auf jeden Fall mit weiteren Workshops fortsetzen. Im November soll im Kinder- und Jugendhaus eine Schau über Anne Frank zu sehen sein.

Abschluss der Veranstaltung bildete vorgestern die Vorführung des Dokumentarfilms "Die Tragödie der Provinz", das hatte die "Initiative für ein weltoffenes Geithain" organisiert. In dem etwa halbstündigen Streifen erzählt Journalist Maik Baumgärtner über rechtsextreme Strukturen im Vogtland und wie Menschen damit umgehen. Als Gesprächspartnerin stand nach der Vorführung Katrin Siegel zur Verfügung, die Politologin hat zeitweise die Kontaktstelle gegen Rechts "Move" geleitet. Man sollte diesen Film vor allem Kommunalpolitikern und Behörden zeigen, weil von deren Seite immer noch stark verharmlost werde, was geschieht, erklärte sie. Als der Film 2010 entstand, habe es im Vogtland noch relativ wenig zivilgesellschaftliches Engagement gegeben. "Seitdem hat sich einiges entwickelt", konnte Katrin Siegel berichten. Im Februar 2012 habe der Superintendent einen Runden Tisch für Demokratie, Toleranz und Zivilcourage gegründet. Vor rund zwei Jahren sei das Aktionsbündnis "Vogtland gegen Rechts" entstanden.

Die Ausstellung über die KZ-Außenlager im Landkreis können Interessenten heute sowie am Freitag, Sonnabend, Montag, Dienstag und Mittwoch jeweils von 13:00 bis 20:00 Uhr besuchen. Immer bis gegen 18:00 Uhr gibt es auch Erläuterungen dazu. Schulklassen und Gruppen werden um Anmeldung gebeten und können auch einen Termin am Vormittag vereinbaren. Kontakt über Peter Frommelt, Telefon 0177 560 72 87.

Kommentar: Geschichte geht uns alle an
von Saskia Grätz

Ein besonders dunkles Kapitel deutscher Vergangenheit sind Konzentrationslager. Allein vier Außenstellen des KZ Buchenwald gab es in der hiesigen Region. Sie stehen für tragische Schicksale unschuldiger Menschen - in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Deren Leiden vor mehr als 65 Jahren ist für Kinder und Jugendliche der heutigen Generation schwer greifbar. Geschichtsunterricht ist die eine, die aktive Auseinandersetzung mit diesem Thema eine ganz andere Seite.

Eine im Kinder- und Jugendhaus Geithain laufende Ausstellung, die im Rahmen einer bundesweiten Aktion für Demokratie und Toleranz eröffnet wurde, leistet einen wichtigen Beitrag zur Information und regt Besucher an, sich damit zu beschäftigen. In Zeiten, in denen braunes Gedankengut Befürworter findet, müssen historische Fakten hartnäckig ins Bewusstsein gerufen und Aufklärung betrieben werden. Auch deshalb, um eine Wiederholung für immer auszuschließen. Ein Auftrag, der uns alle angeht.
Text: Inge Engelhardt, Leipziger Volkszeitung (18.04.2013)
Foto: Inge Engelhardt
 
Fotos weisen auf KZ-Außenlager
Kunstprojekt

Borna/Geithain (ie). Zehn lebensgroße Fotografien von Menschen aus Flößberg und Beucha sollen dieses Jahr für zwei Wochen in den beiden Orten aufgestellt werden. Die Abgebildeten weisen dorthin, wo sich das KZ-Außenlager Flößberg befand. Rund 1.900 überwiegend jüdische Häftlinge sollten dort zwischen November 1944 und April 1945 Sprengköpfe für Panzerfäuste herstellen. Viele starben durch die extrem harten Lebens- und Arbeitsbedingungen oder an den Folgen brutaler Misshandlungen. An diese Häftlinge will Luise Schröder mit ihrem Kunstprojekt erinnern.

Ganz andere Ansätze haben Künstler gewählt, die sich mit den ehemaligen KZ-Außenlagern Böhlen, Colditz und Markkleeberg auseinandergesetzt haben. Die mobile Ausstellung "Die Zukunft des Vergangenen - Künstlerische Positionen zur Erinnerung an die KZ-Außenlager im Landkreis Leipzig" fasst diese Projekte zusammen, um sie nun der Öffentlichkeit näherzubringen. Im Juni wird die Schau in der Dinterschule in Borna zu sehen sein, ab 16. Juni im Heimatmuseum Kitzscher und im Juli im Schloss Colditz.

Schüler nähern sich dem Thema jeweils in Gruppenarbeit. Einen besonderen Aha-Effekt hat für sie der fiktive Onlineshop (www.reinheitcolditz.de) von Luise Marbach, die damit an das Außenlager Colditz erinnert.
Text: Leipziger Volkszeitung (18.04.2013)
Foto: Inge Engelhardt
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