Fingerzeige in ein graues Nichts
Kunstprojekt will Erinnerung an KZ wach halten

Flößberg. Lebensgroße Menschen auf Fototafeln zeigen in ein graues Nichts. Fünf solcher Bilder der Leipziger Künstlerin Luise Schröder stehen an öffentlichen Orten in Flößberg, zwei im benachbarten Beucha. Die Menschen auf den Bildern sind Einheimische, ihre ausgestreckten Hände weisen in die Richtung, in der sich zwischen November 1944 und April 1945 die Außenstelle eines Konzentrationslagers befand. 1.900 Häftlinge mussten hier Sprengköpfe herstellen, 235 starben.

Das künstlerische Projekt, das am Sonnabend eingeweiht wurde, geht auf eine Initiative des Vereins Kulturbahnhof mit Sitz in Markkleeberg zurück. Luise Schröder versucht mit ihren Bildern, die Erinnerung an das Geschehen am Ende des Zweiten Weltkrieges wach zu halten, zugleich fördert sie die Auseinandersetzung damit. Dass die schwierig ist, weiß auch Wolfgang Heidrich vom Geschichtswerkstatt Flößberg e.V., der sich mit der Aufarbeitung der Geschichte des KZ-Außenlagers befasst. Zumal, wie er am Sonnabend sagte, die Zeit der Zeitzeugen vorbei ist. "Es müssen neue Wege gefunden werden." Der von Luise Schröder sei ein guter Ansatz. Auch sie spürte, dass die Auseinandersetzung mit einem dunklen Kapitel der eigenen Geschichte, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft abgespielt hat, eine komplizierte Materie ist. Bei der Suche nach Menschen, die sich von ihr für das Projekt fotografieren lassen wollten, bekam sie etliche Ablehnungen.

Einer, der zugesagt und mitgemacht hat, ist Gerd Sauppe, der sich in der Geschichtswerkstatt vor allem um die Ortsgeschichte kümmert. Sein Bild steht direkt an der B 176. Unter den rund zwei Dutzend Menschen, die sich zur Eröffnung des Projektes zusammengefunden haben, ist er womöglich der Einzige, "der es noch gesehen hat", wie er sagt. Und schon damals war die Nähe des Grauens für die Bewohner ein schwieriges Thema. Er war fünf, und wenn er mit seinem Vater auf der Straße von Flößberg nach Beucha am Lager vorüberkam, sagte dieser zu seinem Sohn: "Jetzt ist Ruhe, jetzt werden keine Fragen gestellt." Luise Schröder will die Erinnerung wach halten. Auf einer öffentlichen Veranstaltung am Dienstag 19:00 Uhr im Landgasthof Flößberg möchte sie ihr Projekt erläutern und mit Interessierten darüber diskutieren.
Text: André Neumann, Leipziger Volkszeitung (17.02.2014)
Foto: Thomas Kube
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