Manny
Drukier aus Kanada hat das KZ-Außenlager
Flößberg überlebt und spricht vor
Schülern in Borna
Borna/Frohburg.
Flößberg – mit dem Ort verbindet Manny
Drukier die schlimmsten Erinnerungen an
den zweiten Weltkrieg und seine
Zwangsarbeit: Wer Schuhe hatte, war schon
fast wohlhabend, geschlafen wurde in
einer Art Holzregal ohne Matratzen und
Decken, überall wimmelte es von Läusen.
"Oft wurden wir auch stundenlang auf dem
Gelände herumgeschickt – ohne Sinn und
Zweck", erinnert sich der heute
89-jährige an seine Zeit im Außenlager
Flößberg vom KZ Buchenwald.
Nach mehr als 70 Jahren ist der
Kanadier erstmals wieder hierher
gekommen, um mit Schülern zu sprechen und
an den Ort des Geschehens zurückzukehren.
Ermöglicht wird der Besuch des
Holocaust-Überlebenden durch den
Geschichtswerkstatt Flößberg e.V., die
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft sowie durch den Förderverein
Gedenkstätte Flößberg e.V. Schmerzhaft
sind Drukiers Erinnerungen, von denen er
vor etwa 200 Jugendlichen aus Borna,
Geithain und Kitzscher im Bornaer
Stadtkulturhaus erzählt. "Wir waren
hergeschickt worden, um die Toten zu
ersetzen und für den Rüstungskonzern
HASAG Panzerfäuste zusammenzubauen", sagt
er.
1928
wird Manny Drukier im polnischen Lodz
geboren. Er ist gerade einmal elf Jahre
alt, als der Krieg mit dem Einmarsch der
Deutschen in Polen beginnt. 1940, der
Junge besucht schon längst keine Schule
mehr, flieht die Familie nach Kielce und
kommt wenige Monate später ins Ghetto
Staszow, haust hier unter unmenschlichen
Bedingungen in einer winzigen Baracke,
hält sich mit Tauschgeschäften gerade so
über Wasser. Zwei Jahre später wird die
Familie, zu der neben Mannys Vater
Gavriel, Mutter Eadis und Schwester Anna
gehören, nach Kielce und Tschenstochau
gebracht, um für den Leipziger
Rüstungskonzern Zwangsarbeit zu leisten.
1944 kommen Vater und Sohn nach Flößberg,
wo die HASAG ein neu errichtetes
Arbeitslager betreibt.
Die Verhältnisse hier sind
katastrophal, "morgens gibt es so etwas
wie Getreidekaffee, abends eine dünne
Gemüsebrühe mit einer Scheibe Brot",
antwortet er auf die Frage eines
Jugendlichen zu den Bedingungen im
KZ-Außenlager. Waschmöglichkeiten gibt es
keine, dafür stundenlange Appelle. Die
Fragen der Schüler sind vielfältig, sie
reichen von der Familie über die Flucht
bis hin zur heutigen Sicht des
89-jährigen auf Deutschland. Katrin
Henzel vom Geschichtswerkstatt Flößberg
e.V. ist froh über das große Interesse,
"denn Zeitzeugen werden rar", macht sie
deutlich. Drukier gelingt nach der
Räumung des Außenlagers 1945 die Flucht,
der damals 17-jährige kommt nach Ende des
Krieges in das internationale
Kinderzentrum Kloster Indersdorf in
Bayern und emigriert ein Jahr später nach
Kanada. Zu dem Zeitpunkt ist sein Vater
längst tot, Mutter und Schwester ebenso.
Für
Manny Drukier ist der jetzige Aufenthalt
in Borna und Flößberg der erste seit den
schrecklichen Erlebnissen. Begleitet wird
er nicht nur von seiner Frau Freda,
sondern auch von den Kindern Gordon,
Laurie, Wendy und Cindy, dem
Schwiegersohn Jan sowie den Enkeln Leah
und Brett. Ein kanadisches Fernsehteam
ist außerdem mit vor Ort, um die Reise zu
dokumentieren. Ihm ist vor allem wichtig,
das Wissen um die Schrecken des
Nationalsozialismus' weiterzutragen,
betont er, als er mit den Schülern in
Borna zusammentrifft. "Lest viele Bücher
zu dem Thema, informiert euch", fordert
er die junge Generation auf. Denn wer die
Geschichte kenne, könne eine Wiederholung
dieser Schrecken in der Zukunft
verhindern.