Studenten
stellen Modelle für KZ-Gedenkstätte vor
Flößberg.
Stephen P. Casey saß vorgestern Abend nicht im Saal des Landgasthofs.
Auch Arthur Poznanski nicht. Klar aber ist: Der Australier wie der
Pole hätten sich wohl gefreut über das, was da zu hören und zu sehen
war. Beide überlebten das KZ-Außenlager Flößberg. Was sie erlitten,
soll nicht vergessen werden. Das haben sich auch Architekturstudenten
auf die Fahne geschrieben. Sie stellten erstmals der Öffentlichkeit
ihre Modelle vor. Eines davon soll bis 2010 seinen Platz am Fürstenholz
finden.
Nachdem alle zehn Entwürfe in Wort und Bild von den Studenten
der Leipziger Hochschule für Technik, Wissenschaft und Kultur (HTWK)
vorgestellt waren, wollten sich viele der über 70 Gäste am liebsten
drücken. Denn die Mitglieder des Vereins Geschichtswerkstatt Flößberg
wollten per Wahlzettel wissen, welcher Entwurf sie am meisten
beeindruckt und überzeugt hatte. "Das ist unheimlich schwer. Denn
alle Projekte haben mich angesprochen. Jedes zeigte, wie intensiv
sich die Studenten mit der Materie befassten, welche Reflexionen
sie dadurch auf diesen unerfreulichen Ort der Zeitgeschichte bei
ihren Mitmenschen auslösen wollen", fasste es Gemeinderat Dieter
Scholz in Worte. Doch es nützte nichts. Anonym wurde abgestimmt,
um "eine erste Reflexion, ein Stimmungsbild einzuholen", wie es
die Vereinsvorsitzende Katrin Henzel formulierte. "Aber das heißt
nicht, dass dies eine endgültige Entscheidung sein muss. Viele
Meinungen und Urteile werden dazu in den kommenden Wochen noch
eingeholt", nahm auch ihr Mitstreiter Stefan Walter etwas von der
Befangenheit. Wenige Minuten später stand fest: Die Arbeit "Der
Bahndamm" von Antje Zimmerling vereinte die meisten Stimmen auf
sich. Ihr Entwurf will an der Schnittstelle zwischen einstigem
Bahndamm und der Straße von Flößberg nach Beucha auf etwa 150
Metern - jeder Meter steht für einen Tag, an dem dieses
KZ-Außenlager bestand - mit dicken Holzschwellen und einer in
Grün und Rot gehaltenen Bepflanzung an die Ereignisse erinnern,
mahnen.
Das Projekt von Michael Wolf "Fußspuren" kam in der
Publikumsgunst gleich danach. Sein Modell zeigt die Spuren
von Fußabdrücken auf einer Betoninstallation im Wald. "Sie zu
lesen und zu deuten, dazu will ich anregen", hatte er erklärt.
Eine überdimensionale Panzerfaust - solche wurden einst hier
produziert - vor allem prägte den Entwurf der chinesischen
Austauschstudentin Mai Jingjing. Mit farbigem Porzellan
gestaltete Elemente sollten zudem den Leidensweg der Häftlinge
von der Ankunft bis zum Tod symbolisieren. Ihre Arbeit rangierte
auf Platz drei.
"Anerkennung verdient haben auf jeden Fall alle Modelle. Es
sind ganz individuelle Sichtweisen, wie angemessen an das Lager
erinnert werden könnte", zeigte sich auch Architekturprofessor
Harald Stricker sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Immerhin
befassten sich die Studenten über ein halbes Jahr damit, die
meisten sogar in den Ferien. "Uns wurde nach zwei Besuchen vor
Ort schnell klar, dass es sich um eine Landschaftsinstallation
handeln muss, um die Menschen mit mehr oder weniger großen
Gesten zum Erinnern zu veranlassen", umriss Stricker und zollte
den Flößbergern Hochachtung, dass sie diesen Teil der Geschichte
nicht verdrängen und vergessen machen wollen. Dabei konnten sich
die Studenten für ein Kunstobjekt in Feld und Raum, auf Wegen
oder an Kreuzungen entscheiden.
Keines der sehr unterschiedlichen Modelle wird dabei in der
Versenkung verschwinden, ob Silvia Helbigs "Quadrat der Erinnerung",
das auf der Barackenwiese an die Greuel und Opfer erinnert, ob
die "Zeitzeugen" von Paul Juschkow in Form menschengroßer Zahnräder
bis zur "Aussöhnung" von Susanne Meichsner, bei der ein
Bodenmosaikkreuz die Schnittstelle zwischen Lager- und heutigem
Wanderweg markiert. In einer Broschüre mit dem Titel
"Landschafts-Installationen zum Nachdenken - Gedenkstätte Flößberg"
sind alle als "Diskussionsbeiträge" erfasst. Diese Broschüre
werden auch bald Stephen P. Casey und Arthur Poznanski in den
Händen halten.