"Hier darf es keine Schlussstrichdebatte geben"
Katrin Henzel engagiert sich mit anderen Flößbergern dafür, dass an das KZ-Außenlager erinnert wird

Flößberg. Auch wenn sie seit kurzem zu jenen jungen Sachsen gehört, die "durch herausragende Leistungen oder eine besondere Tat zu Vorbildern für die jungen Generation geworden sind". Größer geworden ist die zierliche Katrin Henzel, die es auf gerademal 1,68 Meter Körpergröße bringt, deswegen nicht. Die gebürtige und heutige Leipzigerin, die mit ihren Eltern 1996 nach Prießnitz zog und dadurch bis heute vor allem im benachbarten Flößberg eine zweite Heimat hat, nahm vor wenigen Tagen in Dresden den mit 2.000 EUR dotierten Erich-Glowatzky-Preis in Bronze entgegen. Damit wurde ihr Bemühen anerkannt, dass in Flößberg und der Region eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.

Henzel, zuvor bereits vier Jahre im Flößberger Sportverein als Schriftführerin aktiv (obwohl sie sich selbst dort sportlich gar nicht betätigte), gab die Initialzündung: 2005 wurde im Eulataler Ortsteil eine Bewegung ins Leben gerufen, aus der sich im Jahr darauf der Verein "Geschichtswerkstatt Flößberg" bildete. "Es begann damit, dass ich in Gesprächen immer mal wieder die Worte 'Hasag' und 'Lager' hörte und offenbar niemand Genaueres wusste, was damals im Fürstenholz nahe der Ortsgrenze im KZ-Außenlager passierte." So schildert die damalige Germanistikstudentin, die derzeit an der Leipziger Uni im Bereich Literaturwissenschaften promoviert, die Anfänge. "Ich spürte: Viele Leute wissen selbst nicht genau, was hier vor sich ging. Doch ich denke, es ist dringend nötig, sich mit diesem Thema zu befassen und auseinanderzusetzen. Hier darf es keine Schlussstrichdebatte geben. Das sind wir den Opfern schuldig", begründet die 28-jährige ihr Engagement.

Mit inzwischen elf Mitstreitern im Verein sammelt sie seither Fakten, sucht und fand in einigen Fällen Kontakt zu Überlebenden, initiierte das Schülerprojekt "Zeitensprünge", um vor allem junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren, und tritt für eine würdige Erinnerungsstätte ein. Architekturstudenten der HTWK Leipzig entwarfen - wie berichtet - zehn Modelle für eine Landschaftsinstallation und stellten sie im Herbst vorigen Jahres der Öffentlichkeit vor. Eines davon soll bis 2010 seinen Platz am Fürstenholz finden. "Für mich würde damit ein Traum in Erfüllung gehen", sagt Henzel, die auch eine begeisterte Leseratte ist. Bis dahin bedarf es aber noch vieler Schritte, die sie aktiv mitgehen will: Eine Broschüre soll die Entwürfe vorstellen und mithelfen, Spenden zu sammeln. Das jetzige Mahnmal im Wald soll zu einem Friedhof umgestaltet werden. Der Verein möchte noch viel mehr Menschen - vor allem jüngere - zum Nachdenken und Mitmachen anregen. "Denn manche Entwicklungen der heutigen Zeit können einem schon Angst machen. Da darf man doch nicht wegsehen", begründet Henzel, warum sie als Doktorandin dafür so viel Freizeit opfert.

Neben vielen Glückwünschen für den Preis aus der Region erhielt sie übrigens auch eine Grußkarte aus dem fernen Australien. Absender: Stephen P. Casey - ein Mann, der den Aufenthalt im KZ-Außenlager Flößberg überlebt hat. Auch ihm liege viel daran, dass sich hier etwas bewegt, dass seine Geschichte und die vieler anderer ehemaliger Häftlinge mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt. Er wisse sich dabei eins mit der jungen Deutschen.
Text: Thomas Lang, Leipziger Volkszeitung (24.04.2008)
Foto: Jens Paul Taubert
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