Borna - Demonstration wider das Vergessen zur Pogromnacht
Borna. Erinnerung an die Reichspogromnacht, die sich zum 70. Mal jährte. In Borna haben gestern rund 100 Bürger in der Roßmarktschen Straße vor dem ehemaligen Kaufhaus "Britania" der ermordeten jüdischen Familie Rose gedacht. Die Initiative für Demokratie und Zivilcourage Borna (IDZ) hatte zu der Demonstration aufgerufen. Mit dem Anliegen an das damalige Verbrechen zu erinnern.
Text: Leipziger Volkszeitung (10.11.2008)
Foto: Peter Krischunas
 
Wider das Vergessen
Demonstration in Borna erinnert an Verbrechen der Pogromnacht

Borna. "Man kann nicht einem anderen Menschen die Würde absprechen, ohne die eigene zu verlieren", sagte Andreas Bergmann gestern zur Kundgebung und Gedenkmarsch in Borna anlässlich der Reichspogromnacht, die sich zum 70. Mal jährte. Rund einhundert Bornaer Bürger waren in die Roßmarktsche Straße vor das ehemalige Kaufhaus "Britania" gekommen, das der ermordeten jüdischen Familie Rose gehörte. Sie wollten an das Verbrechen erinnern. Aufgerufen dazu hatte die Initiative für Demokratie und Zivilcourage Borna (IDZ), deren Sprecher Bergmann ist.

Bornas Oberbürgermeisterin Simone Luedtke (Die Linke) stand mit in der ersten Reihe, als sich anschließend der Gedenkmarsch in Bewegung setzte. Mehrere Polizei-Einsatzfahrzeuge sicherten die Demonstration ab. Es sei ihren Worte nach wichtig, an den ersten großen Gewaltausbruch des Nazi-Regimes gegen die Juden zu erinnern. "Schließlich sieht man heute in Borna immer mehr Leute auf den Straßen, die eindeutig rechter Gesinnung sind", so die Oberbürgermeisterin.

Unter den Demo-Teilnehmern waren auch alle Partei-Fraktionen der Kreisstadt sowie Pfarrer verschiedener Konfessionen. Gesicht zeigen wollte auch Lutz Kinmayer, ehemals Gemeinde- und Jugendreferent der katholischen Gemeinde Borna. Im November 2003 wurde auf seine Initiative hin die Gedenktafel am Kaufhaus der Familie Rose angebracht. "Ich freue mich, dass meine Arbeit hier Spuren hinterlassen hat", sagte Kinmayer. Superintendent Matthias Weismann vom evangelisch - lutherischen Kirchenbezirk Borna verwies auf eine Veranstaltung am 28. November in der Emmauskirche, wo Ethik-Professor Thomas Schirrmacher zum Thema "Hitlers Kriegsreligion" an die Novemberpogrome vor 70 Jahren erinnern will.

Paul Janus von der CDU-Ortsgruppe sagte: "Wir müssen uns dem einstigen Verbrechen der Bornaer stellen, schließlich werden auch heute wieder Ausländer, Journalisten und Politiker diskriminiert." Janus sei nicht nur gestern während der Kundgebung aktiv sondern nehme wie alle Fraktionen auch an den monatlichen Treffen der IDZ teil, bei denen aktuelle Themen diskutiert werden. Auch Mitglieder der Geschichtswerkstatt Flößberg waren gestern vor Ort.

Während des Marsches durch die Stadt lief jiddische Musik aus den Boxen, die in Pfarrer Matthias Dallmanns Auto installiert waren.

Laut Ortschronist Thomas Bergner wurden Häuser von jüdischen Familien als Haltepunkte gewählt. "Wir haben die bekanntesten Namen wie die von Motulsky in der Kirchstraße und Singer in der Roßmarktschen Straße gewählt, die genau wie die Familie Rose Unternehmer waren", erläuterte Bergner, der auf die geschichtlichen Hintergründe einging.

Petra Sieger vom Kreisjugendring Leipziger Land und Bergmann (zudem auch Jugendreferent im evangelischen Kirchenbezirk) erklärten, dass sie auch die Jugendlichen per Flyer über die Veranstaltung informiert hatten. Im Anschluss an die Kundgebung war im Kulturhaus das Film- und Musikprojekt "Kein Wald mit Buchen" zu erleben.

Jugendliche aus Ost und West haben in einem gemeinsamen Projekt dem Schicksal von im KZ Buchenwald inhaftierten Kindern und Jugendlichen nachgespürt und ihre gewonnenen Informationen und Erlebnisse in dem Film festgehalten. Die "Liedertour" aus Leipzig umrahmte den Film mit Texten aus dem Gedichtband "Moabiter Sonette" von Albrecht Georg Haushofer, der 1945 von der SS ermordet worden ist. Laut Bergmann wurde die Arbeit einer (ZEITENSPRÜNGE-) Projektgruppe des Teichgymnasiums in die Vorstellung integriert. Thema war die Außenwirkung des KZ Flößberg, das demnächst auch in Dresden vorgestellt werden soll.
Text: Peter Krischunas, Leipziger Volkszeitung (10.11.2008)
Foto: Peter Krischunas
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