"Stadtrat hat eine historische Chance vertan"
Verein Geschichtswerkstatt Flößberg kündigt Rückzug aus Gedenkstätten-Projekt an / Weiter Einsatz fürs Erinnern

Flößberg (ie). Die Geschichtswerkstatt Flößberg zieht sich aus dem Projekt zur Errichtung einer Gedenkstätte für die Opfer des KZ Flößberg zurück. Das kündigt Vereinsmitglied Katrin Henzel an. Man werde sich künftig nur noch auf die im Rahmen der Vereinsarbeit möglichen Aufgaben und umsetzbaren Ziele konzentrieren, bei denen die Arbeit "nicht der Willkür kommunaler Entscheidungen ausgesetzt ist", heißt es in einer Stellungnahme des Vereins zum Stadtratsbeschluss in der Vorwoche.

Wie berichtet, stimmten die Frohburger Stadträte mehrheitlich einer Umbettung der Toten des Flößberger Häftlingsfriedhofes nach Borna zu. Das hatten die Landesdirektion Chemnitz sowie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge vorgeschlagen.

Die Möglichkeit, diesen Tagesordnungspunkt zu verschieben, um einen gemeinsamen Ausweg zu suchen, sei nicht eingeräumt worden, kritisiert der Verein. Wäre das geschehen, hätten sich auch die gerade frisch vereidigten Abgeordneten, die bis dato nicht mit dem Thema vertraut waren, eine alle Seiten berücksichtigende Meinung bilden können, die ihre Entscheidungsfindung nachvollziehbar gemacht hätte. Henzel: "Doch stattdessen bleibt das Bild, der Stadtrat habe diesen unliebsamen Tagesordnungspunkt möglichst schnell ad acta legen wollen, und das nicht nur für diesen Abend."

Mit dem Beschluss, die ehemaligen Häftlinge umzubetten, sei an diesem Abend auch die langjährige Arbeit der Geschichtswerkstatt und ihrer Kooperationspartner zunichte gemacht worden. Die Entwürfe der Architekturstudenten für einen Erinnerungsort in Flößberg seien nunmehr hinfällig. Wie der Vereinsvorsitzende Stefan Walter bereits in der Stadtratssitzung darlegte, seien alle in dem Bewusstsein entstanden, dass der Friedhof den letzten authentischen Ort bilde, der an das Lager erinnert. Henzel zitiert das Credo von Architekturprofessor Harald Stricker von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig, der das Projekt betreut: "Spuren aufzeigen und sichtbar machen." Der Stadtrat Frohburg hingegen sei bestrebt, die letzten wenigen Spuren für immer zu beseitigen.

Henzel: "Besonders schmerzhaft ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass aus rein ökonomischen Gründen für die Umbettung gestimmt wurde. Menschliche Schicksale wurden konsequent ausgeblendet. Das Recht auf Totenruhe fand keine Erwähnung." Aus moralischer Sicht habe der Stadtrat eine historische Chance vertan, offen und konstruktiv mit dem Thema umzugehen und dabei insbesondere die Opfer in den Blick zu nehmen. Mit dem Verschwinden des Friedhofs gehe auch der Ort der Andacht unwiederbringlich verloren. Damit werde ein nicht unwesentlicher Schritt in Richtung Tabuisierung getan.

Jahrelang habe die damals verantwortliche Gemeinde Eulatal kein Interesse am Friedhof gezeigt - ganz zu schweigen vom fehlenden Interesse an der Wiederkenntlichmachung des Lagergeländes. Nun knüpfe die Stadt Frohburg an diese zweifelhafte "Tradition" an. Im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume werde sich die Geschichtswerkstatt Flößberg weiterhin für das Erinnern an die Opfer des KZ Flößberg engagieren, kündigt der Verein an. Er werde auch künftig die Gedenkarbeit fortsetzen, speziell im Bereich der Recherchen zur Aufarbeitung der Lagergeschichte, im Bereich der Jugend- und Bildungsarbeit sowie im Austausch mit Überlebenden.
Text: Leipziger Volkszeitung (29.07.2009)
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