Lesermeinung: Letzter authentischer Überrest geht verloren
Zur mehrheitlichen Zustimmung des Frohburger Stadtrates zu einer Umbettung der Flößberger KZ-Opfer nach Borna (LVZ vom 27. Juli 2009):

Dieser Artikel war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Nach über 60 Jahren will man die KZ-Opfer umbetten, weil die Forderungen des Gräbergesetzes nicht erfüllt werden? Bürgermeister Hiensch führt meiner Meinung nach haarsträubende Gründe an. Gräbergesetz nach über 60 Jahren; erhebliche finanzielle Aufwendungen; die Unterhaltung nach einer möglichen Sanierung - wer soll dies als wirklichen Grund glauben? Wer soll glauben, dass so ganz zufällig, just kurz vor der Realisierung des Projektes der Geschichtswerkstatt, der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge und die Landesdirektion Chemnitz sich melden? Wo waren deren Aktivitäten die letzten 20 Jahre? Warum war die letzten 60 Jahre kein Überlaufschutz für Schwarzwild nötig? Warum war die letzten 60 Jahre kein öffentlicher Zugang nötig?

Oder sehen sich die Herren schon samt den Bürgermeistern bei der Einweihung des neuen jüdischen Friedhofes in Borna? Mit Anzug und Kranz wird es dann jährlich ein Bild an dieser Stelle von ihnen in der Zeitung geben. Soll das dann die Jugend für ihren Geschichtsunterricht verwenden?

Ich finde es einfach empörend und enttäuschend. Warum wurde das Thema bei der Sitzung des Frohburger Stadtrates nicht vertagt? Warum peitscht man dieses Thema durch? Auch frisch vereidigten Abgeordneten dürfte das Thema aus Publikationen nicht entgangen sein, und gerade deshalb hätten sie eine Vertagung fordern müssen. Ich bin zutiefst enttäuscht. Noch Anfang Mai ließ sich Herr Hiensch mit dem Geschichtsvereinsmitglied Stefan Walter in der LVZ bei der Buchveröffentlichung abbilden. Nicht mal drei Monate später plädiert er für die Umbettung der KZ-Opfer - aus rein ökonomischen Gründen!

Mit dem Verschwinden des Friedhofes nimmt der Stadtrat meines Erachtens wissentlich den Verlust des letzten authentischen Überrestes des KZ Flößberg in Kauf.
Text: Rosita Dietrich (Flößberg), Leipziger Volkszeitung (07.08.2009)
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Lesermeinung: Der Ort bleibt weiter authentisch
Zum selben Thema, insbesondere zum Artikel "Stadtrat hat eine historische Chance vertan" (LVZ vom 29. Juli 2009):

Leider konnte ich der Stadtratssitzung, auf der die Umbettung der Toten des Flößberger Häftlingsfriedhofes beschlossen wurde, nicht beiwohnen, da ich einen anderen wichtigen Termin wahrnahm.

Für mich sind die Argumente, die für eine Umbettung der Toten sprechen, nachvollziehbar. Wer will schon von Wildschweinen heraus gewühlte menschliche Knochen im Wald finden oder für viel Geld einen "wildschweinsicheren" Zaun mitten im Wald aufbauen? Der Ort der Andacht an die Opfer des nationalen Sozialismus geht durch die Umbettung nicht verloren - er wird nur verlegt. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge legt schon seit Jahren die Gräber der im 2. Weltkrieg gefallenen Soldaten zu Sammelfriedhöfen zusammen, um für die Regionen jeweils einen zentralen Gedenkort zu haben.

Dass sich die Geschichtswerkstatt Flößberg nun aus dem Projekt zur Errichtung einer Gedenkstätte für die Opfer zurückziehen will, erinnert mich an die Reaktion eines trotzigen Kindes, das seinen Willen nicht bekommt. Ist es nicht seltsam, dass sich alle zuständigen Stellen (Landesdirektion, Volksbund, Stadtverwaltung und mehrheitlicher Stadtrat) nach sicher reiflicher Überlegung für eine Umbettung aussprechen? Ist nur der Verein Geschichtswerkstatt im Besitz der "alleinseligmachenden Wahrheit"? Ist es erst dann keine "kommunale Willkür" mehr, wenn der Verein seine Ziele ohne Rücksicht auf Verluste durchgesetzt hat?

Ich meine, der Verein Geschichtswerkstatt sollte seine Position nochmals überdenken und weiter an dem Projekt der Gedenkstätte arbeiten - auch ohne dort vorhandene Gräber. Der Ort nationalsozialistischer Verbrechen bleibt weiter authentisch.
Text: Roland Müller (Benndorf), Leipziger Volkszeitung (07.08.2009)
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