Klar gegen Umbettung
Flößberg (es). Die Opfer des Konzentrationslagers bei Flößberg sollen nach Borna umgebettet werden. Diese Forderung der Landesdirektion Chemnitz stößt nicht nur vor Ort bei der Geschichtswerkstatt und einem überparteilichen Runden Tisch auf Widerstand. Vehement gegen eine Umbettung spricht sich aus religionsgesetzlichen Aspekten der sächsische Landesverband Jüdischer Gemeinden aus.
Text: Leipziger Volkszeitung (06.11.2010)
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Umbettung nach Borna? Frage weiter offen
Vorschlag der Landesdirektion Chemnitz sorgt weiter für Wirbel / Frohburger Bürgermeister Hiensch: Es fehlt am Geld

Flößberg. Der 9. November ist ein Tag der Mahnung - auch für die Mitglieder der Geschichtswerkstatt Flößberg. 1938 begann mit der Reichspogromnacht in großem Maßstab die Drangsalierung und Verfolgung jüdischer Mitbürger. An die Schrecken zu erinnern, um daraus Lehren zu ziehen, ist Anliegen des Vereins. Deshalb auch wollen die Flößberger am ehemaligen Außenlager des KZ Buchenwald nahe ihres Ortes eine Gedenkstätte in Form von Landschaftsinstallationen einrichten und den dortigen Häftlingsfriedhof dauerhaft bewahren.

Für Letzteres erhielten sie durch die erneute eindeutige Stellung des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden gegen eine Umbettung Auftrieb. Das Außenlager des KZ Buchenwald, das im heutigen Frohburger Ortsteil Flößberg zwischen November 1944 und April 1945 existierte, soll Stätte der Mahnung und des Gedenkens bleiben. "Denn es stellt einen der Hauptschauplätze nationalsozialistischer Verbrechen im Landkreis Leipzig dar. An keinem anderen Ort im Landkreis fielen mehr Menschen der menschenverachtenden Rassenideologie des NS-Regimes zum Opfer", begründet das Katrin Henzel vom Verein Geschichtswerkstatt Flößberg. Der Häftlingsfriedhof mit 38 jüdischen Einzelgräbern stelle das wichtigste authentische Zeugnis des Lagers dar.

Doch seit Längerem sorgt ein Vorschlag der Landesdirektion Chemnitz vor Ort für Wirbel. Die Opfer sollten doch möglichst nach Borna umgebettet werden, vor allem, weil sich das jetzige Friedhofsareal nicht gerade in einem gutem Zustand befindet, wurde angeregt (die LVZ berichtete). Letzteres stimmt zweifellos. Dennoch stieß dieses Ansinnen vor Ort und darüber hinaus auf Ablehnung. Sowohl der Verein Geschichtswerkstatt Flößberg wie die Mitglieder eines überparteilichen Runden Tisches, der sich im Mai im Landkreis mit Vertretern der demokratischen Parteien, der Evangelischen Landeskirche sowie Vereinen und Institutionen konstituierte, aber auch Gedenkinitiativen aus dem Bundesgebiet setzten sich für den Erhalt des Häftlingsfriedhofs in Flößberg ein.

Dass nunmehr in einer zweiten Stellungnahme der Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden in Übereinstimmung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland vehement gegen eine Umbettung ist, gibt den Bestrebungen Oberwasser. Für das Veto hätten "religionsgesetzliche Grundsätze" den Ausschlag gegeben, erklärt der Verbandsvorsitzende Heinz-Joachim Aris.

Die Geschichtswerkstatt Flößberg appelliert daher an die Landesdirektion Chemnitz, den Volksbund für Kriegsgräberfürsorge sowie die Kommunen Frohburg und Borna, die Stellungnahme ernst zu nehmen und einen drohenden Imageschaden für die Region schnellstmöglich abzuwenden. "In Anbetracht der beunruhigenden Tatsache, dass mittlerweile fast wöchentlich Neonazis durch unsere Städte und Kommunen ziehen und die Vergangenheit leugnen, ist dem Vergessen entschieden entgegenzutreten", so Stefan Walter, gemeinsam mit Henzel Vorsitzender des Vereins. Vom Runden Tisch sei gemeinsam mit Fachvertretern der Friedhofspflege, dem Forstamt, aber auch Anliegern wie der Osterland Agrar GmbH Frohburg seither in mehreren Arbeitstreffen konstruktiv und zielorientiert an einer Lösung gearbeitet worden, um den Häftlingsfriedhof zu erhalten und ihn in ein Gesamtkonzept einzubinden. "Mittlerweile liegt ein konkreter und kostenbewusster Sanierungsvorschlag für den Friedhof vor. Erstes Ziel ist dabei, endlich eine sichernde Umzäunung zu errichten", informiert Henzel. Mit der erneuten Wortmeldung der Jüdischen Gemeinden sieht die Geschichtswerkstatt auch die Kommunen in der Verantwortung, sich deutlich aktiver als bisher in den Gestaltungsprozess der Erinnerungsorte einzubringen. "Ein regelmäßiges Mitwirken der Kommunen am Runden Tisch wäre hier ein erster Schritt. Die gemeinsame Arbeit an würdigen Gedenkorten in Flößberg und Borna ist auch ein klares Zeichen gegen das Vergessen", so Walter.

Hiensch sah dagegen vorgestern in der Stadtratssitzung "für Aktionismus und Populismus" keinen Anlass. "Nach wie vor gibt es andere Prioritäten in und für die Entwicklung in Frohburg beziehungsweise wohl auch in Flößberg", tat er kund. Noch habe er keine schriftliche Information der Landesdirektion Chemnitz. Gehe die ein, würden die Sachlage und gegebenenfalls konzeptionelle Vorstellungen für 2011 aufbereitet. "Ich gehe aber davon aus, dass die Stadt nicht in der Lage sein wird, künftig erhebliche finanzielle Mittel einzuplanen, um den Friedhof herzustellen und zu unterhalten."
Text: Thomas Lang, Leipziger Volkszeitung (06.11.2010)
Fotos: Günther Hunger
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