"Ich habe das Gefühl,
angekommen zu sein"
Dresdener Bischof Joachim Reinelt weiht
Familienvater zum Priester
Böhlen.
Sonnabend (29. April 2006) betrat
Stefan Thiel zum letzten Mal als Diakon
die Filialkirche Christus König in
Böhlen: In einem bewegenden Gottesdienst
weihte der Bischof des katholischen
Bistums Dresden-Meißen, Joachim Reinelt,
den Röthaer zum Priester. Mit
Sondergenehmigung des Vatikans, denn der
konvertierte Protestant ist verheiratet.
Ehefrau Karen und die drei Kinder des
Paares folgten dem Weihegottesdienst von
der ersten Reihe aus.
Alltäglich war die Zeremonie in der
katholischen Kirche in Böhlen keineswegs:
"Eher eine große Ausnahme", gab Bischof
Joachim Reinelt zu. "Sonst weihe ich immer
mehrere Diakone gleichzeitig zum Priester.
Meistens im Dresdener Dom." Aber eine
ungewöhnliche Priesterweihe rechtfertige
auch einen ungewöhnlichen Ort für den
Weihegottesdienst. "Herr Thiel lebt mit
seiner Familie in Rötha, deshalb ist es
sinnvoll, ihn dort zum Priester zu weihen,
wo seine Familie und seine Freunde leben."
Eine nicht alltägliche Priesterweihe
auch deshalb, weil Stefan Thiel eine
Bedingung, die das Priestertum fordert,
nicht erfüllen kann: Das Zölibat. Der
38-jährige ist verheiratet, hat eine
zwölfjährige Tochter und zwei Söhne, acht
und vier Jahre alt. Thiel war
evangelischer Pfarrer und betreute sechs
Jahre lang die Gemeinde von Bockendorf bei
Hainichen, bevor er zum Katholizismus
konvertierte.
"Es war mein großer Wunsch, Priester zu
werden. Seit einem Jahr weiß ich, dass ich
geweiht werden darf", sagte Thiel. Auf die
Weihe habe er sich lange vorbereitet,
Studienabschlüsse nachgeholt und sechs
Monate als Diakon gewirkt, so der
Familienvater.
Ein Einzelfall ist der Kirchenmann mit
Anhang nicht. "Es gibt einige Fälle, bei
denen ein evangelischer Priester
verheiratet war und nach seiner
Konvertierung zum Priester geweiht wurde.
Und in den unierten Kirchen in manchen
Ländern ist es sogar üblich, dass
katholische Priester heiraten", erklärte
der Bischof den Gemeindemitgliedern in der
voll besetzten Kirche. Das Zölibat stehe
dennoch nicht auf wackeligen Beinen und
habe Bestand, auch bei Priester Thiel: "Er
schätzt das Zölibat, auch wenn er es nicht
mehr leben kann", betonte Bischof Reinelt.
"Er hat ein Versprechen gegeben, ein
heiliges Ja zu einer dauerhaften
Verpflichtung, der Ehe, die sich nicht
wegwischen lässt. Er bejaht die Ideale
unserer Kirche und steht zu seiner
Pflicht. Sonst hätte ich ihn nicht zur
Weihe zugelassen." Klare Worte, mit denen
der Bischof "kummervolle Fragen von
Gemeindemitgliedern" zu beantworten
hoffte. Die blieben jedoch aus. Auch bei
der anschließenden Feier im Gemeindesaal
herrschte ausgelassene Stimmung.
Priester Thiel, vor seiner Weihe "sehr
aufgeregt", war die Aufregung nicht
anzumerken, als er den Segen von Bischof
Reinelt empfing und am Ende der Messe zum
ersten Mal der Gemeinde den Segen
erteilte. "Ich habe das Gefühl, angekommen
zu sein."
Nach seiner Weihe ist Stefan Thiel in
den Pfarreien Borna und Altenburg
eingestellt, wo er bei der Betreuung
älterer Menschen und beim
Krankenhausdienst helfen wird. Ebenso wird
der Röthaer Sonntagsgottesdienste halten.