Gedenkstätte Flößberg
Informationen zur Geschichte und Anlage des ehemaligen KZ-Außenlagers und der heutigen Gedenkstätte im "Großen Fürstenholz" bei Flößberg.
 
[Zum Vergrößern auf das Bild klicken.]
Fotos: Tina Freitag und Frank Redemske, Bildanhang (2002/2003)
Das KZ-Außenlager [oben]

Das Konzentrationslager Flößberg war ein Außenlager des KZs Buchenwald und existierte vom 30. November 1944 bis 13. April 1945. Es befand sich im "Großen Fürstenholz" an der Verbindungsstraße zwischen Flößberg und Beucha. 1.904 männliche Häftlinge arbeiteten in der Panzerfaust-Produktion im Flößberger HASAG-Werk.

In Flößberg konnte die Leipziger Rüstungsfirma HASAG nicht auf vorhandene Werkanlagen zurückgreifen. Sie nutzte alles, um hier so schnell wie möglich einen Produktionsstandort entstehen zu lassen. Dafür beschlagnahmte sie Ende November 1944 das Gelände des "Großen Fürstenholzes", dessen Felder und Waldflure sich zwischen den Dörfern Flößberg und Beucha erstreckten.

Die Gegend um Flößberg bot sich aus mehreren Gründen für die Rüstung an: Einerseits die Nähe zum Stammwerk Leipzig und andererseits die Lage in dem großen Waldstück (was auch als versuchte Tarnung gewertet werden kann). Die Lage zwischen Flößberg und Beucha wurde auch aufgrund der "Querbahn" gewählt, an die das Lager mit einem eigenen Gleis angeschlossen wurde. Seit 1937 war Flößberg an das vorhandene Schienennetz der Bahnstrecke Borna - Bad Lausick angebunden. So war ein An- und Abtransport der Häftlinge, der Produktionsmittel und der produzierten Rüstungsgüter sichergestellt.

Innerhalb eines Monats entstanden in Flößberg die Baracken und die Umzäunung des letzten von sieben KZ-Außenlagern, welches im Auftrag der HASAG errichtet wurde. Wie in Buchenwald, stand auch auf dem Flößberger Lagertor "Jedem das Seine". Der erste Häftlingstransport aus Buchenwald traf am 28. Dezember 1944 ein. Die Häftlinge wurden zunächst mit dem weiteren Ausbau des Häftlingslagers betraut.

Im Lager selbst gab es acht (bis zehn) Häftlingsbaracken. In unmittelbarer Nähe entstanden dazu Wohnbaracken für Bewacher und Bautrupps deutscher Firmen, Produktionsbaracken, Gebäude für die Lagerversorgung sowie im Wald ein Feuerlöschteich. Die Häftlinge mussten zudem etwa 1.350 m Regelspurgleis, das dazugehörige Gleisbett sowie ca. 1.000 m Feldbahngleis, eine Halle für Diesellokomotiven und ein Kesselhaus errichten. Die Feldbahn verband dabei das Gelände mit einem Sprengstofflager in einer ehemaligen Braunkohlengrube.

Trotz Sprengung und Aufforstung, sind auch heute noch auf dem ehemaligen Lagergelände Fundamente von Baracken erhalten und zu erkennen.
[Zum Vergrößern auf das Bild klicken.]
Fotos: Tina Freitag und Frank Redemske, Bildanhang (2002/2003)
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen [oben]

Ein Text von Kurt Klein, welchen er 1956 in einem kleinen "Führer" veröffentlichte, gibt wieder, was sich damals abspielte:
"Ein grauer Tag im Spätherbst des Jahres 1944. Ein paar 100 Männer, begleitet von schwerbewaffneten SS-Männern, schleppten sich auf der Straße hin [...] Grau wie der Tag sind ihre Gesichter, hohlwangig, müde; auf schlechten Kleidern das Zeichen des Juden, auf dem Rücken die Nummer des Gefangenen [...] Ein Mensch bricht zusammen. Ein SS-Mann schleift ihn zum Straßengraben. Ein Fußtritt, ein Stoß! Der Straßengraben ist die letzte Liegestatt. In einer Ecke des Friedhofes in Bad Lausick wird der Tote verscharrt. Der Zug der Gefangenen geht durch Flößberg, die Straße nach Beucha hin [...] Sie sind im Arbeitslager Flößberg [...] In Kolonnen zu etwa 30 Mann treten sie noch in der Dunkelheit zur Arbeit an: Sie fällen Bäume und schleppten sie auf wunden Schultern durch den Schlamm und Morast [...] Wie hart und schwer und lang auch die Arbeit ist, so armselig ist die Nahrung. 450g trockenes Brot, etwas "Kaffee" und eine wässrige Krautsuppe Tag für Tag sollen den Hungertod gerade noch fernhalten. Und wo der arme Mensch ermüdet einmal verweilen will, da treiben Flüche und unflätige Schimpfworte der jungen SS-Posten an [...] 30 bis 40 junge, kräftige SS-Männer, erzogen zu blindwütigem Hass gegen die Juden [...] Und wo ein letzter Funke Menschlichkeit dem Stock Einhalt gebieten will, da treibt die Lockung des SS-Führers zu wüsten Schlägen an [...] Von den Zerschlagenen und Getretenen aber kann mancher nur gestützt und halb getragen von den Kameraden zur Baracke zurückkehren. Kleine Vergehen "sühnen" die SS-Schergen mit Spießrutenlaufen, oft bis zum Zusammenbrechen. Wie viele Seufzer, wie viele Schreie [...] Welch entmenschte Menschen! [...]"

Weitere Zeitzeugen oder Angehörige dieser Personen bestätigten diesen Text mit ihren Aussagen:
"Es ging schlimmer, brutaler und unmenschlicher zu als in je einem Konzentrationslager. Die SS-Posten waren keine Menschen mehr, sondern schlagende, quälende und mordende Unmenschen."

Untergebracht waren die Häftlinge in Holzbaracken, auf Strohmatratzen oder bloßen Pritschen. Es gab keinerlei Sanitäranlagen im Lager und zudem konnten die Häftlinge weder ihre Kleidung im Lager reinigen noch diese wechseln. Was das bedeutete war schnell klar. Gestank und Verlausung waren jedes Häftlings "Wegbegleiter". Um gegen den Schmutz, den Gestank und die Verlausung anzugehen, führten die SS-Schergen Ende März 1945 eine "Reinigungsaktion" durch. Die Häftlinge mussten sich ausziehen und nackt an die Wand stellen. Nach einer halben Stunde in der knackigen Winterkälte richteten die SS-Männer mehrere Feuerwehrschläuche auf die Männer. Charles Kotkowsky erinnerte sich daran:
"Nicht jedem von uns war es möglich, den Wasserstößen zu widerstehen. Jeder Wasserstoß bei diesem kalten Wetter warf uns gegen die Wand. Da gab es kein Entrinnen. Wie wir diese Tortur überlebten, ging über meinen Verstand."

Dieses Lager war ein echtes Musterbeispiel an ausgeübten Grausamkeiten gegenüber den Häftlingen. Ich komme also nicht umhin, einen weiteren Bericht von Charles Kotkowsky zu zitieren:
"An einem Sonntag riefen uns die SS-Leute alle hinaus, um zu zeigen, wie sie Diebe für Ihr Verbrechen bestrafen wollten. Sie gaben ihnen Hacken und Schaufeln und befahlen ihnen, eine Grube auszuheben. Sie fingen an sehr langsam zu graben [...] weil sie geschwächt waren wie jeder andere auch. Je müder sie wurden, um so mehr schrieen und trieben die SS-Männer sie an und schlugen sie mit ihren Peitschen und Stöcken. Als sie schließlich vor Erschöpfung zusammenbrachen, schütteten sie Wasser [...] auf sie, belebten sie neu und schrien und schlugen [...] erneut auf sie ein. Zwei von ihnen versuchten [...] aufzustehen, aber sie fielen erneut nieder. Als sie sich schließlich nicht mehr rühren konnten, warfen die SS-Leute Steine auf die armen Seelen und begruben sie, wahrscheinlich noch bei lebendigem Leibe. Es war herzzerreißend eine solche Verwandlung von menschlichen Wesen in apathische Kreaturen mit ansehen zu müssen."

Solche Grausamkeiten gingen jedoch selbst der HASAG zu weit, wohl aber ging es denen nur um den Erhalt der Arbeitskräfte für die Produktion als um die misshandelten Menschen selber. Im Februar 1945 musste sich der SS-Obersturmführer Wolfgang Plaul vor dem KZ-Lagerkommandanten Buchenwalds verantworten. SS-Oberscharführer Strese wurde im selben Monat durch SS-Oberscharführer Lütscher ersetzt. Mit dem neuen Oberscharführer erhielt das Lager neue ältere SS-Posten, die mit den Gefangenen "menschlicher" umgingen.
 
Die Häftlinge [oben]

Die Buchenwalder Lagerstatistik weist aus, dass Flößberg unter "jüdischen Außenkommandos" geführt wurde. Die Häftlinge waren Männer aus verschiedenen Ländern. Größtenteils stammten sie aus Ungarn und Polen. Einige von innen hatten zuvor schon bei der HASAG gearbeitet, bevor sie nach Flößberg kamen. Abgesehen von einigen sogenannten "Funktionshäftlingen" waren fast ausschließlich Juden in Flößberg inhaftiert. Durchschnittlich waren sie zwischen 25 und 35 Jahre alt, aber auch jüngere und ältere Männer weisen die Transportlisten Buchenwalds aus.

Die Zahl der Häftlinge stieg bis Anfang März 1945 an. Sie erreichte sogar einen höheren Stand als die Einwohnerzahl des anliegenden Dorfes. Im Januar 1945 zählte das HASAG-Lager 300 bis 450 Männer und am 2. Februar 1945 bereits 769 Häftlinge. Ende Februar erreichte das Lager seinen Höchststand von 1.450 Inhaftierten, untergebracht bzw. zusammengedrängt in acht (bis zehn) Häftlingsbaracken. Die Zahl der Häftlinge sank jedoch bis zum 7. April 1945 kontinuierlich auf 1.144 Häftlinge ab, aufgrund vieler Todesfälle und Rücktransporte arbeitsunfähiger Häftlinge nach Buchenwald.

In Flößberg gab es nur minimale medizinische Versorgung durch einen Häftlingsarzt. Die Häftlinge wurden mehrfach begutachtet und auf Rücküberstellungslisten gesetzt. Im März 1945 wurden allein 461, als krank eingestufte Häftlinge nach Buchenwald zurückgeschickt. Von späteren 586 Häftlingen, die ins Stammlager zurück deportiert wurden, waren viele so erschöpft, dass der Buchenwalder Standortarzt bei ihrer Ankunft "Zustand sehr schlecht" vermerkte. Was mit den Häftlingen danach geschah war unterschiedlich: Bei einem Großteil wurde der Tod im Lager Buchenwald festgestellt; die, die sich erholten, kamen in neue Arbeitseinsätze oder in andere Lager, wie nach Natzweiler.

Im Lager Flößberg verstarben bis zum 7. April 1945 mindestens 166 Häftlinge, davon allein 94 im letzten Betriebsmonat. Somit lässt sich eine "Quote" von 9 % verstorbener Männer, in vier Monaten, nennen. Die Verfasser der Seite des Colditzer Club Courage e.V. gehen sogar, laut Buchenwalder Listen, von 192 Toten im Flößberger Lager aus. Das bedeutete aber nicht, dass auch wirklich jeder Tote damals erfasst wurde. Die Zahlen der Opfer und der Häftlinge variieren von Buch zu Buch, bzw. Internettext zu Internettext. Vermutlich beziehen deren Verfasser sich auf unterschiedlich Quellen und Berichte von Überlebenden, so dass sich keine absolut korrekte Zahl nennen lassen kann. Wie viele Häftlinge in den letzten Tagen des Bestehens des HASAG-Lagers Flößberg noch verstarben, ist unbekannt oder noch nicht weiter erforscht. Die Toten wurden damals nach Leipzig gebracht, verbrannt und die Urnen nach Buchenwald überstellt. Ab Ende Januar 1945 wurden die Leichen der Häftlinge nach Buchenwald transportiert, über die Umstände dieses Transportes ist auch noch nichts weiter bekannt.

Nahe des Geländes des HASAG-Lagers entstand in den 50er Jahren ein kleiner Friedhof. Ein paar der Toten liegen heute noch dort begraben, ein großer Teil wurde aber umgebettet und auf einen Friedhof nach Borna gebracht.

Zu den Todesursachen im Flößberger Lager möchte ich noch folgendes hinzufügen: Das Stammlager Buchenwald führte in seinen Lagerlisten eine Art eigene "Lagersprache" für das massenhafte Töten der Häftlinge. Gerade in den Baukommandos, wie in Flößberg, wurde das Motto "Vernichtung durch Arbeit" auf den Punkt umgesetzt. Schwere Arbeit bei unzureichender Versorgung, psychische und körperliche Traktur - auf diesem Weg "starben die Arbeitskräfte sowieso".

Wie schon an vorheriger Stelle beschrieben, waren die Wachmannschaften des Flößberger "Judenkommandos" Musterbeispiele in der Ausübung ihrer Aufgabe. Die Häftlinge wurden teils sogar in den Selbstmord getrieben, was später auch offen bei der Todesursache angegeben wurde. In den Fällen bei denen Herz bzw. Kreislauf akut versagten, war in Wirklichkeit Tot durch Erschießen die Ursache. Überlebende des Lagers berichteten später, dass Flößberg das schlimmste Lager war, was sie bis dahin erlebt hatten.
 
Die Befreiung [oben]

Am 5. März 1945, angeblich unmittelbar vor Produktionsbeginn, wurden die Produktionsstätten und wahrscheinlich auch die Unterkünfte der Wachmannschaften im Flößberger Wald durch einen alliierten Luftangriff zerstört. Das Häftlingslager blieb unverschont. Es bleibt also die Frage, ob die Rüstungsfabrik je eine Panzerfaust fertig stellen konnte. Die Häftlinge wurden nach dem Bombenangriff eingesetzt, um Schäden im Ort zu reparieren, die Bomben zu entschärfen und Räumungsarbeiten durchzuführen.

Am 13. April 1945 wurden die Häftlinge aus dem Lager getrieben und in einem Zug, mit je 100 Mann pro Waggon, Richtung Mauthausen deportiert. Die Häftlinge erhielten zu Beginn der Fahrt einen Laib Brot und durften einmal täglich ihre Notdurft außerhalb des Waggons verrichten. Bei diesen Zwischenstopps wurden gleichzeitig die Toten aus den Waggons geschafft und teilweise am Rand der Bahnstrecke verscharrt. Laut Berichten Überlebender wurde ein Teil der Häftlinge zu Fuß nach Mauthausen getrieben und dort befreit.

Einen anderen Weg der Befreiung gab es für 3 Häftlinge des Lagers. Als die Amerikaner in Flößberg einrückten, kamen ihnen die 3 Männer verwildert, mit kleinen Schritten, aufeinander gestützt entgegen. Sie hatten sich im Lager in Flößberg unter ihren Betten versteckt, mit etwas zusammengeklaubter Nahrung versorgt und Tage lang gewartet, bis im Lager nichts mehr von den anderen Häftlinge und den SS-Truppen zu hören war. Die Wachmannschaften und Hunde, die losgeschickt wurden, um die 3 beim Appell vermissten Häftlinge aufzuspüren, hatten sie glücklicherweise nicht finden können.
[Zum Vergrößern auf das Bild klicken.]
Fotos: Tina Freitag und Frank Redemske, Bildanhang (2002/2003)
Foto: Philipp Ramm (2006)
Die Gedenkstätte [oben]

Die Gedenkstätte in Flößberg erreicht man, von der Straße nach Beucha hinter "Waldsiedlung" abbiegend, nach einem Kilometer Waldweg. Auf der linken Seite beginnt ein Pfad, der zum Standort des ehemaligen KZ-Außenlagers führt.

Etwa 150 Häftlinge, die umkamen oder ermordet wurden, sind zunächst an mehreren Stellen des Lagers verstreut verscharrt worden. 98 Tote exhumierte man einige Wochen nach dem Krieg und setzte sie auf dem Ehrenhain in Borna bei. Auf dem Gelände des Lagers selbst ist Anfang der 50er Jahre ein kleiner Friedhof angelegt worden.

Ein Gedenkstein aus Porphyr, von einem Bad Lausicker Künstler geschaffen, trägt unter dem roten VVN-Winkel, dem Zeichen der Organisation "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes", eine allgemein gehaltene Inschrift:

Die Toten mahnen

Nichts weist auf den realen historischen Hintergrund der Gedenkstätte hin.
 
[Zum Vergrößern auf das Bild klicken.]
Fotos: Philipp Ramm (2016)
...
Quellen:
Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – Eine Dokumentation, Band II, Bonn 2000, S. 662 f.;
Freitag, Tina und Redemske, Frank: Flößberg – Ein Beispiel gegen das Vergessen unserer Geschichte, Schülerprojekt (Besondere Lernleistung), Bad Lausick 2002/2003;
Müller, Doreen: Spuren des Nationalsozialismus – Außenlager des KZ Buchenwald in meiner Region, Studienprojekt, Mittweida/Rosswein 2007, S. 21 - 27