In Flößberger KZ bauten Häftlinge Rüstungsgüter
Vor Eintreffen der Amerikaner wurde Lager geräumt

Flößberg. Der 13. April 1945 war kein besonderer Tag im Kriegsgeschehen des untergehenden Nazireiches. Die Amerikaner standen schon westlich von Borna. Da wurden die Insassen des Arbeitslagers Flößberg, das der HASAG Leipzig gehörte, "evakuiert". Gottfried Becker aus Bad Lausick trug Fakten über das Ende des KZ zusammen.

Das Flößberger Außenkommando des KZ Buchenwald bestand nur kurze Zeit, aber alle Bewohner der Umgebung, die mit ihm auch nur in Sichtweite in Berührung kamen, behielten es mit Schaudern im Gedächtnis. Alle Augenzeugenberichte sprechen davon in der gleichen Weise.

Der Gedenkstein an der Stelle des Massengrabes sollte auch kommenden Generationen eine Mahnung bleiben oder gar einen besseren Platz finden.

Erst am 30. November 1944 erhielten Flößberger Einwohner einen amtlichen Bescheid, daß in ihrem Besitz befindliches Gelände ganz oder teilweise zum Aufbau einer neuen Fabrikation der Leipziger Firma beschlagnahmt wäre.

HASAG war die Abkürzung von "Hugo Schneider AG", einer Rüstungsfabrik, die neben Leipzig auch Werke in Thüringen und vor allem im besetzten Polen unterhielt. Letztere waren nun schon in Gefahr, verloren zu gehen.

Innerhalb eines Monats stampfte man Wohnbaracken und Arbeitsbaracken aus dem Boden, versah alles mit Stacheldrahtzäunen. Das Gelände erhielt einen Gleisanschluß. Bereits am 28. Dezember wurden als erste "Stärkemeldung" 150 KZ-Häftlinge registriert, die aus dem KZ Buchenwald kamen. Insgesamt wurden 1.904 Häftlinge eingeliefert, die zum größten Teil über die KZ-Außenstelle der Leipziger HASAG kamen. 461 wurden als nicht mehr arbeitsfähig im Februar und März 1945 nach Buchenwald zurückgeschickt.

Am 5. März 1945 wurde das Lager zusammen mit dem Dorf Flößberg bombardiert. Ob die geplante Produktion (das Füllen von Sprengköpfen für Panzerfäuste) jemals voll aufgenommen wurde, ist aus den derzeit hier ersichtlichen Unterlagen nicht zu entnehmen, wie überhaupt noch manches für einen historischen Bericht zu recherchieren wäre.

Das "Wegbringen der Häftlinge" für den 13. April 1945 ist gesichert. Aber: Wie viele? Wie? Wohin? Erlangten sie die Freiheit wieder oder wurden sie umgebracht?

Zwei Tage später wurde Bad Lausick von den Amerikanern besetzt.
1945 - 1995
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50 Jahre danach
Unter der Baracke versteckt

Drei Häftlinge des Flößberger Außenlagers versteckten sich zehn Tage vor der Befreiung im Lager. Sie konnten dem Abtransport durch die SS entkommen. Im Kreisarchiv ist das Dokument eines Augenzeugen aufbewahrt, das die Ankunft der Häftlinge in Bad Lausick schildert.

Am Tage, nachdem die Amerikaner die Stadt besetzt hatten, sahen Kinder, wie drei völlig verwilderte Gestalten - zwei Ältere, die einen Jüngeren stützten - auf der Straße von Heinersdorf der Stadt zuwankten. Von einem Hilfspolizisten angesprochen, wurden sie ins Rathaus geleitet. Es waren Juden aus dem Außenlager in Flößberg, die schon seit Jahren nicht mehr wie Menschen behandelt worden waren.

Sie hatten sich zehn Tage vor dem Eintreffen der Amerikaner unter den Dielen einer Baracke versteckt, nachdem sie sich wenige Möhren und Krautköpfe organisiert hatten, die sie vor dem Verhungern bewahren sollten.

Sie erwarteten das Entdeckt werden und damit den sicheren Tod - oder die Befreiung und damit das Leben. Letzteres war ihnen erfreulicherweise vergönnt.
Text: Leipziger Volkszeitung (13.04.1995)
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