16-jähriger
Bornaer wird Landessieger beim Geschichtswettbewerb
Borna.
Obwohl das Denkmal seit mittlerweile mehr als
60 Jahren in der Lobstädter Straße in Borna
steht, ist es doch so gut wie in
Vergessenheit geraten. Vertraut und doch
fremd. Der 16-jährige Carlo Hohnstedter ist
der Frage nachgegangen, warum der
Gedenkstein, der an 98 Opfer des
Konzentrationslagers Flößberg erinnert,
selbst fast vergessen ist. Mit seiner Arbeit
"Ein Porphyr in der Nachbarschaft" ist der
Schüler vom Gymnasium "Am Breiten Teich"
sächsischer Landessieger beim
Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten
unter Schirmherrschaft der Körberstiftung
geworden.
Gerade einmal 700 Meter liegen zwischen
dem Denkmal und dem Zuhause des
Zehntklässlers, und bis vor einem Jahr wusste
Hohnstedter selbst nichts von der Existenz
des Steins. Erst eine Stadtführung während
eines deutsch-israelischen Schüleraustauschs
führte ihn zu dem Ort - und damit auch zu der
Erkenntnis, dass lokale Historie kaum
wahrgenommen wird. "Vertraute Fremde.
Nachbarn in der Geschichte", das Motto des
Geschichtswettbewerbs hätte kaum besser zum
Porphyr und dessen eigener Vergangenheit
gepasst.
1950 wurde der Gedenkstein durch die
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
auf dem Friedhof aufgestellt, auf dem die
Toten beerdigt worden waren. "Doch an die
Opfergruppe, an den jüdischen Charakter und
an die Todesumstände erinnerte er nicht",
erzählt Hohnstedter, der während seiner
Arbeit von der Geschichtslehrerin Steffi
Kohlmetz unterstützt wurde. Erst ein Jahr
später kam zu der Inschrift "Den Lebenden zur
Mahnung, den Toten zur Ehr" die zweite
Inschrift "Hier ruhen 98 Opfer des KZ
Flößberg" hinzu.
Der Frage, warum kaum jemand das Denkmal
kennt, ging Hohnstedter bereits im Winter
nach. Auf dem Marktplatz befragte er 95
Passanten unterschiedlichen Alters - und
stellte fest, dass die Menschen der Jahrgänge
1926 bis 1959 zum großen Teil den Gedenkstein
kennen und um dessen Bedeutung wissen. "Aber
mit der Elterngeneration gibt es einen großen
Knick", erkannte der 16-jährige. Grund dafür
sei die "einseitige Erinnerungskultur" zu
DDR-Zeiten gewesen, bei der vorrangig
Antifaschisten als Opfer des
Nationalsozialismus.
Dass Hohnstedter mit seiner Arbeit
Landessieger wurde und diese nun auf dem Weg
zur Jury des Bundespreises ist, verwundert
Kohlmetz nicht. "Das ist wirklich eine
außergewöhnliche Arbeit, die schon den
Charakter einer Masterarbeit hat", betont
sie. Vor allem sei sie über die
Vorgehensweise des Schülers erstaunt gewesen.
Denn neben der Befragung von Passanten sprach
er mit Zeitzeugen und forschte im Museum
Borna in den Archiven. Thomas Bergner vom
Museum und zugleich vom Förderverein
Gedenkstätte Flößberg unterstützte ihn dabei
und war fasziniert vom Ergebnis: "Ich dachte,
ich lese ein Fachbuch", sagt er. Hohnstedter
habe sich umfassend mit der
Geschichtsfälschung der DDR
auseinandergesetzt. Dass sich ein 16-jähriger
mit der Verleugnung der jüdischen Opfer
befasse, sei sehr ungewöhnlich.
Eine Art, gerade bei den nachkommenden
Generationen das Denkmal wieder ins
Bewusstsein zu rücken, ist für den Schüler
das Geocaching. Eine Koordinatenspur führt
zum Ehrenhain, wo die Fährtenleser dann
Informationen zum Gedenkstein erhalten. Für
Hohnstedter ist das einer der besten Wege,
lokale Historie und modernes Lernen
miteinander zu verknüpfen. Denn in der Schule
bleibt bei dem vollen Lehrplan "kaum Platz
für Geschichte vor Ort", wie Kohlmetz
bedauert.