Am
Holocaust-Gedenktag werden Blumen auf den
Gräbern niedergelegt
Frohburg/Flößberg. Zu einer
Gedenkstunde auf dem Häftlingsfriedhof
des KZ-Außenlagers Flößberg anlässlich
des Holocaust-Gedenktages trafen sich am
Sonntagnachmittag 38 Menschen. Eingeladen
hatte der Förderverein Gedenkstätte
Flößberg e.V. Unter den Besuchern waren
Landrat Henry Graichen (CDU) und
SPD-Buntestagsabgeordnete Franziska
Maschek.
Tina Höhl, Halina Jordan und Torsten
Wünsche vom Förderverein erinnerten an
das Leiden derer, die hier im Fürstenholz
kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges
für die Leipziger Firma Hugo Schneider AG
(HASAG) Panzerfäuste produzieren mussten.
Von den insgesamt 1.900 Inhaftierten
fanden nachweislich 235 im Lager den Tod.
Mindestens noch einmal so viele Opfer
forderte die Evakuierung nach Mauthausen
in Österreich.
"Wir stehen hier auf einem Friedhof,
auf dem 38 Opfer dieses Lagers nach der
Exhumierung aus einem Massengrab beerdigt
worden sind", sagt Wünsche.
Der Schwesterverein Geschichtswerkstatt
Flößberg e.V. habe dafür gesorgt, dass
aus den 235 Toten dieses Lagers 235 Namen
wurden, die an der Gedenktafel in Stein
gehauen sind.
Zu
denen, die das Lager durchlitten und
überlebten, zählte Manny Drukier. Vor 77
Jahren hieß Manny, ein gebürtiger Pole,
noch Moniek Drukier. Da war er 16 Jahre
alt. Sein Vater war 44, er starb an
Hunger, Kälte und Entkräftung während des
Evakuierungstransports.
Im Herbst 2017 besuchte der Sohn die
Gedenkstätte bei Flößberg. "Er traf
Schüler unserer Region, um ihnen aus
erster Hand zu erzählen, was vor 77
Jahren hier in Flößberg passiert ist", so
Wünsche. "Die Schüler, die das Glück
hatten, Manny zu erleben, hatten
natürlich bereits im Geschichtsunterricht
die Judenverfolgung besprochen. Sie
kannten bereits die Jahreszahlen und
Statistiken – aber erst bei der Begegnung
mit Manny entstand eine persönliche
Relevanz."
Drukier, der mutmaßlich letzte
Überlebende des Lagers Flößberg, ist
Anfang Januar 92-jährig in Kanada
gestorben. Die Zeitung "Toronto Star"
schreibt im Nachruf über den vierfachen
Vater, siebenfachen Großvater und
zweifachen Urgroßvater: "Er war ein
erfolgreicher, autodidaktischer
Unternehmer mit breit gefächerten
Geschäftsinteressen, darunter der Verkauf
und die Herstellung von Möbeln.
Seine ersten Erfahrungen im
Verlagswesen machte er 1984 mit der
Zeitschrift 'La Carte', und er wurde zu
einem engagierten Förderer der Literatur-
und Kunstszene Torontos. Außerdem gab er
von 1986 bis 1989 die Zeitschrift 'The
Idler' heraus und betrieb 15 Jahre lang
den Idler-Pub ('die einzige zivilisierte
Bar in Toronto'), eine lokale Kunst- und
Literaturinstitution, um seinem großen
Kreis von Künstlern, Schriftstellern,
Lesern und Anhängern einen Ort der
Begegnung zu bieten."
Wie
Drukier die Zeit als Jugendlicher im
Lager reflektierte, trug Halina Jordan
vor: "Anfang März 1945 erreichten wir
Flößberg. Der Zug hielt auf einem
Seitengleis in einem jungen Nadelwald. In
Viererreihen marschierten wir zum Lager.
Die neuen Wachmänner waren nicht viele,
einige ziemlich jung, manche viel älter.
Ihr Kommandeur war ein älterer Mann,
groß, verkniffen, er sprach laut und
schwang eine Reitpeitsche. Er lief neben
uns her und forderte uns auf, unsere
Köpfe hochzuhalten: 'Köppe hoch, zack,
zack!' [...]
Wir wurden ausgesucht, um in
Zwölferteams schwere Eisenbahnschwellen
zu einem Nebengleis zu bringen, das
gerade gebaut wurde. Das war vielleicht
die schwerste aller möglichen Arbeiten.
[...] Den ganzen Tag hatte keiner von uns
irgendetwas gegessen, und schon
nachmittags konnten wir uns kaum noch
bewegen. [...] Die Läuse, der Dreck, die
Arbeit und das spärliche Essen forderten
ihren Zoll. Täglich landeten
arbeitsunfähige Männer im Lazarett.
Keiner kehrte zur Arbeit zurück."