Ehrenamtliche
aus Borna und Umgebung wollen wissen, was
sich Familien nach den Corona-Lockdowns
von der Kirche wünschen. Aus einer Umfrage
ist ein Angebot geworden, bei dem sich
Eltern und Kinder willkommen fühlen.
Borna.
In der Kirche St. Joseph in Borna herrscht
am zweiten Adventssonntag (10. Dezember
2023) einiger Trubel: Der Nikolaus
erscheint im Gottesdienst und erklärt, was
genau der Unterschied zwischen dem
Heiligen Nikolaus und dem Weihnachtsmann
ist. Dann ruft er alle Kinder nach vorn
und zieht aus seinem Sack Geschenke,
darunter einen Schoko-Nikolaus und eine
Nikolaus-Plätzchen-Ausstechform. Im
Anschluss sind Eltern und Kinder noch
eingeladen, zum Familien-Advent-Tag zu
bleiben. Im Kellergeschoß der Gemeinde
wird eine Tafel mit mitgebrachten
Leckereien bestückt. Gemeinsam essen,
kickern, basteln, Weihnachtslieder singen
und erzählen – das können Kinder, ihre
Eltern und auch einige Großeltern.
Wir wollen für Familien und mit
Familien etwas anbieten
Seit Mai lädt die Kirchgemeinde unter
#NeuStartFamilie2023 zu besonders
familienfreundlichen Formaten ein: Neben
Familiengottesdiensten oder einer
ökumenischen Martinsandacht sind das auch
Mitbringbuffets oder Verweil-Cafés und
eben Zeit zum Austausch. Philipp
Ramm-Kokot kommt aus Neukieritzsch und hat
einen 3-jährigen Sohn. Er engagiert sich
ehrenamtlich für diese Familienarbeit in
der Gemeinde. Denn Vieles sei auf ältere
Gemeindemitglieder ausgerichtet und
Angebote für Kinder seit der Corona-Zeit
eingeschlafen.
Durch die
Gründung der Großpfarrei 2020 wurden
außerdem hauptamtliche Stellen
abgebaut.
Auf einem
GemeindeZukunftsTag wurde deshalb
überlegt, wie die Umstrukturierung der
Pfarrei ehrenamtlich aufgefangen werden
kann. Einer Gruppe waren Familien
besonders wichtig. Philipp Ramm-Kokot
sagt: "Wir wollen vor Ort Familien
mobilisieren, weil wir für sie und mit
ihnen etwas tun möchten."
Erster Schritt dafür war, genau zu
fragen, was sich Familien eigentlich
wünschen. 2022 entwickelte die Gruppe
einen wissenschaftlich begleiteten
Fragebogen, der an alle katholischen
Haushalte, in denen Kinder leben,
verschickt wurde. Anna-Sophie Kupper
studiert Soziale Arbeit in Leipzig und hat
die Umfrage für ihr Studium entwickelt,
weil sie sich für ein aktives Kinder-,
Jugend- und Familienleben in der Gemeinde
einsetzt. "Ich habe mir die Frage
gestellt: Was brauchen die Familien für
Unterstützung, um ihren Glauben zuhause
weiterzugeben?" Ein Drittel der
versendeten Fragebögen kam beantwortet
zurück. Die Ergebnisse zeigen ein gutes
Bild von dem, wie Familien heute aussehen
und was sie brauchen: Zum Beispiel sind
rund die Hälfte der Familien rein
katholisch, aber bei einem Drittel der
Familien ist nur ein Elternteil
katholisch, der andere ohne Konfession.
Zehn Prozent der Eltern sind
alleinerziehend. Gefragt wurde auch nach
der christlichen Bindung im Alltag und
welche Angebote Eltern in der Gemeinde für
wichtig erachten. Ein großer Teil der
Familien wünscht sich vor allem Raum, um
in Kontakt mit anderen katholischen
Familien zu kommen. Wöchentliche Angebote
für Kinder waren nicht so häufig
gewünscht, wie Angebote zu besonderen
Anlässen.
"Wir müssen uns klar sein: Kirche ist
nur ein Randangebot am Sonntag neben
Fußball oder Freiwilliger Feuerwehr", sagt
Ramm-Kokot. Da aber Vernetzung ein großer
Wunsch war, gerade auch von neu
zugezogenen Familien,
wurde im März ein
Willkommenstag in der Gemeinde für
Familien angeboten. Dazu lud eine
Postkarte ein, die wieder in den
Briefkästen der katholischen Familien
landete. Neben Familiengottesdienst,
gemeinsamem Mittagessen und einem kleinen
Programm, gehörte auch Kinderbetreuung zu
dem Willkommenstag, sodass sich die Eltern
in Ruhe austauschen konnten. Rund 40
Eltern beteiligten sich daran, neue Ideen
zu sammeln, manche wollten sich einbringen
und die Reihe #NeuStartFamilie2023 war
geboren. "Wir machen nur das, was wir
schaffen", betont Philipp Ramm-Kokot und
schraubt damit zu hohe Erwartungen
herunter. "Unser Ziel ist aber, den
Glauben und auch die Selbstverantwortung
in der Gemeinde zu stärken."
Johannes Kupper hat drei Kinder und
ist vor vier Jahren aus Braunschweig
wieder in seine alte Heimat zurückgezogen
und hatte durch die Lockdowns zunächst
wenig Kontakt. "Ich habe die Angebote
deshalb dankend angenommen", erzählt er.
"Das Sich-Vernetzen hat gut gefruchtet.
Und dass ich meine ganze Familie
motivieren kann, mit in den Gottesdienst
zu kommen, klappt besser bei solchen
besonderen Familien-Aktionen." Er wünschte
sich außerdem ein gemeinsames
Familienwochenende. Dafür war er auch
bereit, eine geeignete Unterkunft zu
suchen und die Fahrt im September 2024
mitzuorganisieren.
Claudia Kullmann hat vier Kinder und
freut sich, jetzt mit den Menschen wieder
mehr Kontakt zu haben, die sie selbst in
ihrer Kindheit und Jugend in der Gemeinde
kennnengelernt hat. Die Angebote für
Familien findet sie wichtig, denn sie
nehmen die Bedürfnisse der Kinder mehr in
den Blick und es dürfe auch mal laut
werden. "Wir erziehen unsere Kinder im
Glauben, deshalb hatte ich mir die
regelmäßige Frohe Herrgottsstunde
gewünscht, aber das fanden nicht alle so
wichtig."
Cäcilia Reiprich ist vor acht Jahren
aus Leipzig in die Region gezogen und
kommt jeden Sonntag in den Gottesdienst.
Ihre Kinder treffen hier nicht immer auf
andere katholische Kinder, wie sie es sich
wünscht. "Kirche wandelt sich und ist
nicht mehr so, wie sie war als ich Kind
war", sagt sie. "Aber ich vertraue darauf,
dass der Heilige Geist trotzdem wirkt."